Einer der wohl wichtigsten Comics
Autor/Zeichnung: Art Spiegelmann
Übersetzung: Christine Brinck, Josef Joffe
Kaufen: Fischer Verlag
Erscheinungsdatum: 01.04.2008
Bewertung: 5/5
Vor einigen Wochen hat eine Schulbehörde in Tennessee das Comic Maus aus dem Lehrplan gestrichen. Die vorgebrachten Gründe waren zumindest seltsam und es gab international einen breiten Aufschrei darüber die man ein so wichtiges Werk versucht seinen Schülern vor zu enthalten. Auch in der deutschen Presse und Comicszene wurde das Thema natürlich ausführlich behandelt. Genau das soll ich hier NICHT tun. Ich habe die Gelegenheit genutzt mir das Comic durchzulesen, was ich bisher vermieden habe, nicht weil ich den Holocaust an sich verdrängen wollte sondern weil ich der Meinung war genug darüber zu wissen und mich nicht noch mehr Grausamkeit aussetzen wollte.
Ich hatte mich geirrt.
Daher ist das ganze auch keine wirkliche Rezension sondern eher ein ganz persönlicher Eindruck von dem was ich beim Lesen empfunden habe.
Für mich ist Maus kein Comic über den Holocaust an sich, sondern viel mehr der sehr subjektive Eindruck eines Mannes der ihn persönlich erlebt hat. Dieser Mann, Wladek Spiegelmann, der Vater des Autors, ist eben nicht „perfekt“. Er entspricht einigen der Vorurteile die auch auch heute noch über Juden gibt, er behandelt seine zweite Frau nicht wirklich gut und äußert sich rassistisch gegenüber einen Schwarzen. Sein Geiz vertreibt seine zweite Frau und bringt seinen Sohn an den Rand der Verzweiflung. Auf diesem Hintergrund erzählt der Autor authentisch wie er von seinem Vater den Leidensweg von 1939 bis 1945 dargelegt bekommt. Das ganze geschieht in Bruchstücken und es wird klar das auch Wladek hier ein eher unzuverlässiger Erzähler ist, aber eben nur aufgrund der Tatsache das er alles aus dem Gedächtnis nacherzählen muss und das eben nicht immer zuverlässig ist.
Kein Zweifel wird aber daran gelassen, das die Erzählungen authentisch sind. Ob Wladek nun 2 oder 3 Monate in Auschwitz als Schuster gearbeitet hat oder ob eine Kapelle gespielt hat ist dafür unerheblich.
Insgesamt sieht man hier den schmerzhaften Weg von Wladek der von seinem Schwiegervater in Polen eine Fabrik bekommt und dann Stück für Stück alles verliert bis er schließlich in Ausschwitz nur noch den Ausweg „Schornstein“ vor sich hat. Das einzige was ihn aufrecht erhält ist seine Frau mit der er trotz aller Widrigkeiten immer mal wieder Kontakt hat.
Trotz der Umsetzung wo die Juden Mäuse, die Deutschen Katzen und die Polen Schweine sind, ist die Darstellung eindrücklich, beängstigend und beschämend. Das Menschen zu solchen Gräueltaten fähig sind, das diejenigen denen es schlecht geht verzweifelt versuchen auf Kosten derjenigen denen es noch schlechter geht zu überleben und die Art und Weise wie sich Menschen in der größten Not über Dinge freuen können die wir als selbstverständlich erachten oder teilweise sogar wegwerfen würde.
Das der Holocaust mehr als schrecklich war mir schon immer bekannt, auch was genau dort passiert ist habe ich sowohl in der Schule gelernt als auch mir zum Teil angelesen, wie sich das aufgebaut hat und was das wirklich für die Leute bedeutet, wie schnell die Menschen teilweise abgestumpft sind und sich an die Schrecken gewöhnt hatten wird hier nochmal auf eine ganz andere Art deutlich. Dabei macht die Abstraktion über die Tiere das ganze noch lesbar und genau das ist wohl auch ein weiterer Grund für den Erfolg des Comics: Trotz dem schrecklichen was geschildert wird (was auch mich dazu veranlasst hat den Band nur in kleineren Abschnitten zu lesen um das zu verkraften) ist er les- und vor allem begreifbar. Das Gehirn versucht nicht automatisch die überwältigende Grausamkeit auszublenden sondern eher zu begreifen was dort geschehen ist ohne das jemals wirklich zu können.
Das es so etwas wie Holocaust nie wieder geben darf war mir schon immer klar, die Lektüre hat mich darin nicht noch mehr bestärken können, sie hat mir aber ein wenig mehr Verständnis dafür gegeben wie die Leute das damals selbst erlebt haben und auch dafür wie wichtig Mitgefühl und Nächstenliebe ist.
Was sich mir nicht erschlossen hat ist auch nur der Ansatz eines Grundes warum man das Buch aus dem Lehrplan nehmen sollte.